Positive Geburtsvorbereitung – oder die etwas andere Rezension

Geburtsvorbereitung

Als Pädagogin, Therapeutin und eben auch als Bloggerin rezensiere ich schon lange Bücher. Früher habe ich gerne Kochbücher und DIY-Ratgeber gelesen, Kinderbücher stelle ich Euch immer noch am liebsten vor, aber auch Sach- und Fachbücher, Ratgeber für (werdende) Eltern mag ich total gerne.

Ein Ratgeber ist für mich ein Buch, was mich in einer bestimmten Lebenssituation weiterbringt. Es sollte mir einfache Fragen beantworten, mir einen ersten Überblick über das Thema geben und auch Besonderheiten, Spezialthemen oder Unterkategorien anschneiden. 

Gerne darf auch eigene Erfahrung mitreinspielen, sollte für mich aber immer sachlich eingebracht werden. Ich mag es auch, wenn der Text eher locker zu lesen ist und auch gern mal einen Wortwitz bereit hält. Noch viel wichtiger ist mir meinst das Layout. Kann mein Gehirn schnell Dinge erfassen und verarbeiten, gibt es gut Info-Grafiken, angenehme Farben, etc.

Prinzipiell finde ich es gut, wenn jemand einen Ratgeber schreibt, der auch Ahnung von der Sache an sich hat. Also ein Ratgeber zur Dackelzucht, sollte vielleicht nicht von einem Züchter für Zwerghuhnrassen geschrieben werden. Ihr versteht sicher, was ich meine… 

Wenn Du nichts Gutes sagen kannst, dann sag besser nichts.

Als Kind habe ich immer wieder den Spruch gehört: Wenn Du nichts Gutes sagen kannst, dann sag besser nichts. Joa. Da kann ich auch als Erwachsene im weitesten Sinne mitgehen. Das war auch mein erster Gedanke, als ich in das Buch reingelesen habe, was ich rezensieren sollte. Puh, da kann ich nicht viel Gutes schreiben und empfehlen würde ich es auch nicht. Also was mache ich? 

Nächster Gedanke: ich schreibe dem Verlag und gebe eine ehrliche Rückmeldung und lehne die Rezension ab. Gerne schicke ich das Buch auch zurück, ich würde es ja eh niemandem empfehlen oder verleihen oder weiter schenken. 

Dann las ich vom Artikel, der in der Zeit online erschienen ist. Ein Interview mit dem Autor des Buches. Quintessenz: Die Frau ist selbst Schuld an einer Wochenbettdepression, wenn sie sich vorher nicht genug über Interventionen in der Geburtshilfe informiert hat und dann enttäuscht ist über den Geburtsverlauf. Äh bitte wie?

Schwierige Geburtserfahrungen.

Ich bin als Systemische Familientherapeutin, Stillberaterin, Frau und Mutter auch Mitglied bei Mother Hood e.V. Ein Verein, der sich für sichere Geburten und die Rechte von Frauen und Familien einsetzt und eine bessere geburtshilfliche Versorgung fordert. Auf Instagram bezogen sie ganz klar Stellung zu dem Artikel und zitierten auch wissenschaftliche Quellen sowie die WHO

„Wir sprechen seit Jahren darüber, wie problematisch die geburtshilfliche Situation in Deutschland ist. Studien belegen, dass wir von bis 30 Prozent Traumatisierungen und bis zu 50 Prozent Gewalterfahrungen bei Geburten ausgehen müssen. Was die negativen Geburtserfahrungen auslöst wissen wir aus erster Hand durch viele Zuschriften und die Statistik des Hilfetelefon schwierige Geburt: Heruntergebrochen sind es in den meisten Fällen: fehlende Kommunikation und Kontrollverlust.“ (Zitat von der Homepage des Hilfetelefons)

So erlebe ich es auch in meinen Beratungen. Ich begleite schon seit einigen Jahren Familien, vor allem Frauen, die eine schwierige Geburt oder sogar Gewalt erlebt haben. Noch keine hat mir gesagt, dass sie sich nur hätte besser vorbereiten müssen, dann hätte sie sich auch besser gefühlt. Und selbst wenn – auf ALLES kann ich mich gar nicht in Gänze vorbereiten. Es ist auch ein Riesen Unterschied vorher etwas darüber gelesen zu haben und es dann selbst zu erfahren. Ich habe schon oft von Knochenbrüchen gelesen, von schweren Unfällen, hatte aber -toitoitoi- selbst noch keinen. Wie sich das also anfühlt, wenn der Knochen durch ist – keine Ahnung. Was dann alles passiert, von RTW bis Op, kann ich nur erahnen. Wenn mich nun also das medizinische Fachpersonal nach einem Unfall runter macht, ich hätte vielleicht einfach kein Sport machen sollen, mich grob anfasst, mich nicht informiert und aufklärt – bin ich dann selbst Schuld? Hätte mich ja vorher auf meine Op vorbereiten können? Ist so ein Bisschen wie mit den Äpfeln und Birnen, ne…

Die etwas andere Rezension.

Eine Geburt ist schwierig bis auf jede Eventualität zu planen. Dennoch finde ich positive Geburtsplanung sehr wichtig. Und es ist auch tatsächlich ratsamer POSITIVE Geburtsberichte als Vorbereitung zu lesen, um ein positives Mindset zu verankern. Und nicht lauter Horrorgeschichten, was alles schief gehen könnte. Wir lesen ja auch keine Unfallberichte vor dem Skiurlaub, sondern schauen uns inspirierende Fotos und Videos der Region an. Oder? 

Die wunderbare Hebamme Jana Friedrich hat z.B. ein Konzept erschaffen, was genau das meint: Birth esteem. Das Bestärken der Frau, der Familien in ihren eigenen Fähigkeiten für die Geburt! Dazu aber ein andermal mehr. Zurück zum Buch.

Natürlich habe ich das Kapitel zum Stillen in diesem Buch zuerst gelesen. Heidewitzka. Ja, es stehen viele richtige und gute Dinge drin, aber auch so was wie: Stillen macht Osteoporose (stimmt nicht, keine Evidenz, eher das Gegenteil ist der Fall), wenn das Stillen nicht klappt nach der Geburt, kein Problem, einfach die Flasche nehmen bis es klappt (bitte nur bei Indikation zufüttern und dann stillfreundlich ohne Flasche, wenn weiter gestillt werden möchte) und zum Abstillen braucht man nur drei Dinge: einen engen BH, Kühlen und Salbeitee. Ich sag mal so – äh nein. (Bitte keinen engen BH tragen, nicht beim Abstillen und nicht bei zu viel Milch. Die Gefahr eines Milchstaus ist viel zu groß.)

Dann schreibt der angehende Gynäkologe (!) z.B. einerseits, dass der Begriff „durchschneiden“ des Köpfchens eher ungünstig sei, aber benutzt ihn danach immer weiter. Dass die Hand der Hebamme dann das Köpfchen berührt und hält, scheint die einzige Option zu sein. Von Hands off keine Rede. Oder dass die Gebärende selbst nach dem Köpfchen tasten kann. Sehr schade.

Die Kopfschwartenelektrode wird „angelegt“ und dann führt ein Kabel aus der Vagina. Erklärung Ende. Dabei will er doch aufklären, „alles, was man wissen muss“ steht auf dem Cover. Ich glaube, da wollen einige etwas mehr wissen, als dass die KSE nur „angelegt“ wird. Auch hier gibt es einige Berichte auf Social Media, die sehr unschön sind. Unter anderem auch, dass man genau SO aufgeklärt wurde. Und erst hinterher erfahren hat, was genau passiert ist. (Ich schreibe es absichtlich nicht genauer, ich möchte niemanden erschrecken, wer mehr lesen möchte, googelt es bitte.)

Ehrlich gesagt möchte ich gar nicht mehr zu diesem Buch schreiben. Es ist nicht sonderlich gut für meinen Blutdruck. Und eine Bühne möchte ich ihm auch nicht geben.

Vieles ist lustig geschrieben, nett gemeint und nicht alles ist faktisch falsch. Aber up to date Geburtshilfe 2024 ist das mal nicht. Reaktion meines Mannes: Warum wird so ein Buch gedruckt? Tja nun. Weiß ich auch nicht. 

Positive Geburtsvorbereitung.

Also bitte: Wenn Du Dich über Geburt informieren möchtest, kann ich folgendes raten: 

  • Mach einen guten Vorbereitungskurs bei Dir vor Ort und/ oder online z.B. bei Jana Friedrich
  • Bereite Dich auch z.B. mental auf die Geburt vor. Es gibt tolle Hypnobirthing Angebote oder auch Schwangerschafts-Yoga kann hilfreich sein. 
  • Beschäftige Dich mit Deinen Wünschen und Vorstellungen. Schreibe einen positiven Geburtsplan
  • Informiere Dich in einem Stillvorbereitungskurs oder einem guten Buch über das Stillen. Schaue schon mal nach einer Stillberaterin in der Nähe, damit Du den Kontakt direkt griffbereit hast. 
  • Lies positive Geburtsberichte, schau realistische Geburtsvideos an. 
  • Informiere Dich über verschiedene Geburtsorte, was sie bieten, was bei ihnen möglich ist. 

Gerne begleite ich Dich bereits in der Schwangerschaft, arbeite mit Dir an vorherigen Geburts- und oder Stillerfahrungen, ich helfe Dir einen Geburtsplan und eine Patientenverfügung für die Geburt zu schreiben.

Bücher, die ich von Herzen empfehlen kann: 

Jede Geburt ist einzigartig von Jana Friedrich
Das Geburtsbuch von Nora Imlau
Vertrauen in die natürliche Geburt von Dr.med Wolf Lütje
Autogene Geburt von Tatje Bartig-Prang
Die ersten vierzig Tage von Heng Ou
Das Wochenbett von Loretta Stern & Anja Constance Gaca 
Das Stillbuch von Hannah Lohtrop

Wenn Du eine individuelle Beratung suchst, kannst Du Dich in meinem Kalender umschauen.