Einschlafstillen – schlechte Angewohnheit oder von der Evolution gewollt?

Einschlafstillen

In fast jeder Stillberatung werde ich gefragt, was ich vom Einschlafstillen halte. Ist es eine wirklich eine schlechte Angewohnheit? Die Eltern machen sich Sorgen, ob das alles so gut und richtig sei. Der/ die Kinderärztin, die Hebamme, die Nachbarin, die Oma, die beste Freundin und letztlich das Internet haben gesagt, dass es schlecht sei. Und wenn man das jetzt nicht abgewöhne, dann… ja was dann? Frage ich dann liebevoll zurück. 

In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf gute Schlafzutaten, wie Stillen bzw. die Milchproduktion eigentlich funktioniert, vor allem auch nachts, was das Baby braucht und ob das Einschlafstillen wirklich eine schlechte Angewohnheit ist. Hier geht es auch nicht um MEINE romantische Vorstellung vom Stillen. Ich möchte anhand von Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen aufklären. Dann kann jeder für sich entscheiden, was gut tut und wie es passt. Es gibt so viele Wege, wie es Familien gibt. 

Eine Literaturliste findest Du am Ende. 

Auf den Kontext kommt es an. 

Als allererstes: Es kommt auch bei diesem Thema wie so häufig auf das Alter des Kindes und den Kontext an. Wie oft lese ich etwas, was per se nicht falsch ist, aber selten auch zeitlich eingeordnet wird. Zum Beispiel der Satz „Die Mutter produziert bis zu einem Liter Muttermilch in 24 Stunden.“ Ja stimmt. Aber liest das eine Wöchnerin, mit wenige Tage altem Baby, die gerade 20 ml abgepumpt hat, kommt verständlicherweise Panik auf, sie könne nicht genug Milch haben. 

So ist das mit dem Schlafen und dem Einschlafstillen auch. Wir können für wenige Wochen alte Babies nicht das gleiche „Programm“ abspulen wie für ein 2-jähriges Kind. Sie haben unterschiedliche Bedürfnisse und stecken in sehr unterschiedlichen Lebensphasen. 

Babies im ersten Lebensjahr kommen als sogenannte „physiologische Frühgeburten“ zur Welt. Sie können sich nicht selbstständig versorgen, sind auf die Erwachsenen angewiesen. Wir versorgen sie mit Nahrung, Flüssigkeit, Liebe und sind für Sicherheit und Hygiene verantwortlich. All das können sie noch nicht selbst. Auch ein 2-jähriges Kind braucht bei all dem noch unsere Zuwendung. Wie wir das tun, ist gesellschaftlich geprägt. 

Kleine Zeitreise des Stillens. 

Um 1830 (also gar nicht so lange her) war das Stillen nach Bedarf das „Normale“, Wochenbett wurde empfohlen, natürlich mit viel Hautkontakt mit dem Baby. Und da das Baby bei Geburt ja nur einen kleinen Magen hat, soll und darf es natürlich auch öfter kleine Portionen trinken. Klingt vertraut? Ja, wir kommen langsam wieder dahin. 

Nach und nach fanden die Mediziner (ja, nicht gegendert, da Ärztinnen da noch lange nicht die Regel waren…), es brauche eine Regelmäßigkeit. Alles, was irgendwie „animalisch“  sein könnte, musste in Regeln gepackt werden. „Alle Unregelmäßigkeiten würden auf Krankheiten hinweisen und können auch zur Ursache für Krankheit werden.“ (Bergstermann/ Hofer, S. 42.) So auch das Stillen. Also bitte nur alle 2 Stunden stillen. 

1930 wars dann ganz vorbei. Liebe & Geborgenheit im Wochenbett? Stillen nach Bedarf? Bonding? Fehlanzeige. Wir wollen ja hier niemanden verwöhnen, ne. „Die Mutter darf ihr Neugeborenes niemals mit ins Bett nehmen, da der Wochenfluss als höchst infektiös und als Gefahr für das Baby angesehen wird. Solange sie im Krankenhaus ist, bekommt die Mutter ihr Kind nur alle 4 Stunden für eine begrenzte Zeit zum Stillen gebracht. In der Nacht gibt es eine achtstündige Pause von Anfang an.“ (Bergstermann/ Hofer, S. 42 f.) 

Das sitzt. Und zwar tief. Seit fast 100 Jahren geistert es nun umher, dass man unsere Babies nicht verwöhnen darf. Manche haben es (auch damals schon) trotzdem getan. Haben ihr Kind gestillt, wann und wie lange sie wollten, haben es getragen oder bei sich schlafen lassen. Aber hui – wehe, das hat wer erfahren… und hey, auch heute noch, 2023 habe ich Familien vor mir sitzen, die fast flüstern, wenn sie erzählen, dass ihr Kind noch bei ihnen im Elternbett schläft. Oder dass sie „immer noch“ stillen. 

Was hat die Evolution sich nur gedacht?

Ich mag es ja, wenn man sich Dinge logisch erschließen kann. Schauen wir der Evolution doch mal zu: Sie hat ein System entwickelt, in dem das Neugeborene und auch noch lange Zeit das Baby sehr gut für sich sorgt, indem es sich meldet, wenn es Milch braucht. Dem Baby ist die Uhrzeit dabei reichlich egal. Das Gehirn braucht Futter, um zu wachsen, der ganze Körper will wachsen. 

In den ersten Wochen möchten Babies meistens alle 1,5-2 Stunden trinken. Das ist normal und so gewollt. Warum? 

Erstens: Das Baby stellt sicher, dass es nicht vergessen wird. Niemand hat es in der Höhle liegen lassen. 

Zweitens: Es hat nur einen kleinen Magen, braucht kleinere Portionen, hat öfter Hunger. 

Drittens: Häufiges Trinken regt die Milchproduktion an. 

Viertens: Saugen, die Milch und die dabei wirkenden Hormone beruhigen. 

Gute Zutaten für einen gelingenden Schlaf sind: Vertrauen, Loslassen können, Mitbestimmung wo und wie geschlafen wird, gestillte Bedürfnisse, Sicherheit, Entspannung und – Müdigkeit. Letzteres vergessen wir gerne, wenn wir wollen, dass unsere Kinder um 19 Uhr schlafen und wir endlich unsere Me-Time genießen können. 

Was haben Schlaf, Sex und Geburt gemeinsam? 

Der Kinderarzt und Autor Dr. Herbert Renz-Polster schreibt auf seinem Blog Kinder verstehen, dass Schlaf nicht „gemacht“ werden kann. Er muss einfach kommen. Ähnlich wie bei Geburt und Sex eben auch. Wir können uns anstrengen, wir können die Geburt WOLLEN, ja herbeisehnen, aber beschleunigen können wir sie nicht. Wir können auch miteinander schlafen, rein technisch gesehen, aber Lust und Orgasmus bleiben aus. Was fehlt da bloß? 

Vor allem Sicherheit und Entspannung spielen eine unglaubliche Rolle, wenn es um die drei oben genannten Tätigkeiten geht. Aber wie gelingt es sie für Dein Baby, Dein Kind herzustellen? 

Einschlafstillen

Schlaf in der Wissenschaft

Es gibt sicherlich viel Forschungsmaterial zum Thema Baby- und Kleinkindschlaf, aber was mache ich damit für den Alltag meiner Beratungsfamilien? 

Nehmen wir mal die Schlafdauer. Es gibt unzählige Studien und daraus hervorgehende Tabellen wie viel ein Baby im Alter von X Monaten regulär schläft. Damit habe ich mehrere Probleme (und die Wissenschaft auch): Es gibt so viele Tabellen, welche ist die Richtige? Die Spannen, wie viel Schlaf „normal“ ist, sind sehr weit. Also habe ich schon mal sehr viel Spielraum, was prinzipiell entspannen könnte. Aber was mache ich, wenn mein Kind nirgendwo rein passt? Ein Kritikpunkt der Wissenschaft selbst ist, dass es zu viele Variablen gibt. Zu viele unterschiedliche Kinder in unterschiedlichen Situationen, Alter, Herkunftsfamilien, Chronotypen, etc. Und dann alles nur Beobachtungen in einer Laborsituation. Ich gehe noch weiter und frage: Gibt es nicht so viele Möglichkeiten wie es Kinder gibt? 

Fragen wir 10 Expert*innen, haben wir 12 Meinungen dazu. Auch auf die verschiedenen Fachrichtungen kommt es an, wer was rät. Der Behaviorismus setzt grob gesagt auf Verhaltensänderung, das, was wir als Schlaftraining kennen und eigentlich nicht mehr machen wollen. In der Evolutionsbiologie und Anthropologie ist das gemeinsame Schlafen, Stichwort Familienbett, völlig normal und wird nicht in Frage gestellt. Je nach Ausrichtung sind sich die Psycholog*innen nicht einig, ob das gemeinsame Schlafen nun ein Schlaf-, Bindungs- oder Entwicklungsproblem ist (Schmidt, S. 164 f.).

Nicht das Einschlafstillen ist das Problem. Sondern eine Gesellschaft, die immer noch versucht, Familien eine unerfüllbare Erwartungshaltung aufzudrücken. Wenn sich das Einschlafstillen für alle Beteiligten gut anfühlt, dann hört verdammt nochmal damit auf, ihnen etwas anderes einreden zu wollen.

Luise Schmitt, Hebamme und Mama von drei Kindern 

Was nehmen wir mit: Traue keiner Studie, die Du nicht selbst gefälscht hast, interpretiere Daten nicht über, schaue auf Deine individuelle Situation, was tut Dir gut und was brauchst Du gerade. 

Stillen und Schlafen – ein Dreamteam 

Wozu es aber ziemlich eindeutige Forschung, Literatur und eben auch handfeste Ergebnisse gibt, ist das Stillen. Durchaus auch verbunden mit dem Schlafen. 

Der Forscher Dr. McKenna spricht schon gar nicht mehr von „Co-Sleeping“, sondern von „breast-sleeping“ und zeigt seine Vorzüge für Mutter und Kind auf. 

They [parents] try to impose a model of sleep for which infants are not designed, especially the breastfeeding infant. Western cultures in particular have all but pathologized the natural sleep patterns of breastfeeding infants. An infant’s most important job in the first year of life is to wake up all night to [breast]feed.

Aus „Safe Infant Sleep“ von James McKenna

Nahrung und Flüssigkeit werden optimal auf das Baby abgestimmt. Das nächtliche Stillen vermittelt Liebe, Nähe, Geborgenheit und baut Bindung und Urvertrauen auf. Das Einschlafen mit einer vertrauten Person vermittelt Sicherheit und Entspannung, zwei wichtige Zutaten für den Schlaf. Die Milchproduktion wird angeregt und die Milch kann sich besser einstellen. Stillen ist wahrscheinlich die einfachste und natürlichste Einschlafhilfe inkl. „Schlafmittel“, die es gibt. Aber was genau passiert da? 

Warum gerade das NÄCHTLICHE Stillen in den ersten Monaten wichtig ist. 

Des Nachts zu stillen kann anstrengend sein. Keine Frage. Aber warum lohnt es sich so sehr auch nachts zu stillen? Und warum ist es auch noch total normal, dass das Kind mehrmals nachts wachwird? 

Das Gehirn braucht Nahrung. 

Das Gehirn ist bei der Geburt erst einmal auf „Grundfunktionen“ spezialisiert. Überleben. Nach und nach verfeinern sich die Strukturen, es wächst, nicht nur physisch. Der Stoffwechsel läuft auf Hochtouren und braucht ca. alle 1,5-2 Stunden Nachschub. Verhindere ich nächtliche Mahlzeiten, verhindere ich auch Gehirnwachstum. Und nicht nur das Gehirn braucht Nahrung. Auch wenn es oft noch anders vermittelt wird: es ist völlig normal, dass Kinder im ersten Lebensjahr nachts Hunger haben und Nahrung brauchen. 

Hautkontakt. 

Beim Stillen haben wir viel Hautkontakt, der nach den ersten Tagen im Wochenbett meist weniger wird, weil wir weniger nackt zusammenliegen. Hautkontakt bewirkt aber unglaublich viel: er wirkt beruhigend, reguliert, stabilisiert die Körpertemperatur und den Blutzuckerspiegel. 

Plötzlicher Kindstod. 

Die Forschung ist hier noch immer nicht klar. Was wir aber bisher wissen: Stillen und gemeinsames Schlafen wirken schützend. Die Atmung synchronisiert sich, das Reflexprogramm wird erweitert, z.B. durch das wechseln der Stillseite, Heben des Köpfchens für das Stillen, zur Seite drehen der Nase für bessere Atmung und durch das häufige Aufwachen wird der ganze Organismus angeregt. Gestillte Kinder werden häufiger umgelagert. 

Milchproduktion. 

Um Milch zu produzieren braucht es einige Hormone. Oxytocin, das Kuschelhormon, es fördert den Milchspendereflex. Habe ich weniger Hautkontakt durch weniger Stillen in der Nacht, lässt auch der Milchspendereflex auf sich warten. Prolaktin wird beim Stillen freigesetzt und sichert die folgende Stillmahlzeit. Versuche ich also nachts Stillmahlzeiten abzugewöhnen, beeinflusse ich die Milchproduktion für die folgenden Mahlzeiten. Das Schlafhormon Melatonin in der Muttermilch hilft dem Baby einen Schlaf-Wach-Rhythmus zu entwickeln. Das Glückshormon Serotonin macht das Baby zufrieden und glücklich. Es unterstützt Botschaften im Gehirn wie Appetit, Schlaf, Lernen, Temperaturregulation, u.a.m. 

Dieses Gefüge muss sich in den ersten 3-4 Monaten (!) einspielen und ist sehr sensibel. 

Der Tag-Nacht-Rhythmus von Babys beginnt erst nach etwa einem halben Jahr zuverlässiger zu funktionieren. Das Stillen und Füttern in der Nacht ist mit vielfältigen gesundheitlichen Vorteilen verbunden, nicht zuletzt da nachts vor allem das Gehirn wächst. Einem Säugling das Einschlafen an Brust oder Flasche zu verwehren, ist weder physiologisch noch psychologisch von Vorteil und dieser Fakt ist lange bekannt.

Nicola Schmidt, SPIEGEL-Bestsellerautorin, Gründerin des Artgerecht Projektes und Mama von zwei Kindern 
Familienbett

Die Angst vor den „Schlafassoziationen“.

Unwissenden Eltern wird gern damit Angst gemacht. „Wenn Dein Kind sich an das Stillen/ Tragen/ Kuscheln/ Singen/ … zum Einschlafen gewöhnt, braucht es das immer. Ich kenne keine Familie, die ihr 12-jähriges Kind noch in den Schlaf tragen muss. Bedürfnisse verändern sich. Was wäre so schlimm daran, ihnen nachzukommen, dem Kind eine extra Portion Liebe und Nähe zu geben? Ja, es kann sich jetzt daran gewöhnen, zum Einschlafen das Stillen zu brauchen, aber ob es das in zwei, drei, sieben, zwölf Monaten noch genauso braucht, keine Ahnung, wahrscheinlich nicht, oder in einer anderen Form. 

Wenn ich also eine Mutter in der Stillberatung vor mir habe, die sich Sorgen macht, dass ihr 9 Wochen altes Baby doch nun alleine schlafen müsse, sie aber kein anderes Einschlafprozedere finde, dass sicher und ohne Tränen beiderseits zum Einschlafen führt – dann rate ich ihr einfach weiter zum Einschlafen zu stillen. Denn ganz oft hat die stillende Person GAR KEIN PROBLEM damit. Es ist viel mehr das Umfeld, was suggeriert, dass das Einschlafstillen falsch oder gar schädlich sei. Und dass, wenn man ihm das JETZT nicht abgewöhnt, es das wahrscheinlich nie lernen wird. 

Spoiler: Ich berate seit fast 10 Jahren Familien. Es hat noch niemand angerufen und wollte Rat, wegen des 16 jährigen Kindes, was immer noch in den Schlaf gestillt werden möchte. 

Viele Stillende berichten sogar (auch noch mit älteren Kindern), dass sie gerne zum Einschlafen stillen. Es sei entspannt und garantiert sicher, dass das Baby schnell schlafe. Bei manchen dauert es länger, aber dennoch wird es als angenehm empfunden. 

Für mich und vor allem meinen (2jährigen!!!) Sohn hat Einschlafstillen eigentlich noch nie was mit Nahrungsaufnahme zu tun gehabt, sondern hauptsächlich mit Nähe, Geborgenheit und stellt schon immer eine Form der Co-Regulation dar, für ein kleines Kind, dessen Tage viel zu aufregend sind!

Dani Becker, Selbstständige Illustratorin

Die Menschen, die das nicht möchten, für sich entscheiden, dass es nicht (mehr) geht, sind keine besseren oder schlechteren Eltern. Es gibt auch Kinder, die das gar nicht wollen oder danach verlangen. Auch das ist alles normal und ok! Wenn DU etwas verändern möchtest, weil Du Dich nicht wohl fühlst, es nicht kannst oder was auch immer – dann kann man zu jedem Zeitpunkt schauen, was diese Veränderung sein könnte. 

Wann muss ich das Einschlafstillen abgewöhnen? 

Ja gar nicht, wenn Du nicht willst. Punkt. Es gibt so viele Möglichkeiten wie es Babies, Brüste und Familien gibt. 

Ein Kind stillt, döst, schläft aber niemals nie dabei ein. 

Ein Kind schläft IMMER dabei ein, zuverlässig, bis es 8 Monate ist. Das nächste bis es 2,5 ist. 

Ein Kind möchte es nur abends, schläft auf dem Arm ein, danach in seinem Bettchen weiter. 

Ein Kind braucht es nur mittags und schläft abends immer mit einer anderen Bezugsperson ein. 

… 

Die Liste der Möglichkeiten ist unendlich lang. 

Meist ändern sich die Stillgewohnheiten sowie die ganzen Rituale an besonderen Meilensteinen der Entwicklung: Beikostbeginn, Zähne, Laufen können, um den ersten Geburtstag herum, usw. Das Kind wird mobiler, stillt weniger oder gerade wieder mehr. Das Bindungsband wird immer weiter gedehnt, der Radius des Kindes immer größer. Die Stillende beginnt vielleicht wieder zu arbeiten und oder das Kind geht in die Krippe, die Kita oder zur Tagesmutter. 

Habe ich nun eine Familie mit vielleicht 15 Monate altem Kind, die gerne etwas am Einschlafen und dem Nachtschlaf verändern möchte, dann schauen wir uns das an. Was sind die Rahmenbedingungen, was versteht das Kind bereits, wie kann die Partnerperson eingebunden werden, und und und. Aber ändern MUSST Du erst etwas, wenn Du, Dein Kind oder das Familiensystem mit den Umständen belastet ist bzw. Du etwas verändern möchtest. 

Und was ist mit Karies? 

In Muttermilch ist Zucker, das ist nicht zu leugnen. Oft höre ich die Sorgen vor Karies. Aber was braucht Karies überhaupt, um zu entstehen: Erst einmal Zähne, dann die kariogenen Bakterien, Streptococcus Mutans, die z.B. durch Löffel ablecken, Schnuller ablecken, geteiltes Besteck, Becher, Essen kalt pusten, usw. übertragen werden.

In Muttermilch steckt so viel mehr als nur Zucker: Immunglobuline, Lactoferrin, das den Keimen lebensnotwendiges Eisen klaut und sie kann durch viele Mineralien & Spurenelemente remineralisierend wirken. 

Plus: Beim korrekten Anlegen ist die Brustwarze seeeehr weit hinten am weichen Gaumen. Die Milch geht also gleich rein in den Hals und ist weg. Alles, was aus (Nuckel-)Flaschen getrunken wird, umspült die Zähne und bleibt länger im Mund. 

Es gibt eindeutige Studien (mit großer Stichprobe), die zeigen, dass Stillkinder KEIN signifikant höheres Risiko haben, als ungestillte Kinder. 

Generelle Maßnahmen gegen Karies:
Ab dem 1. Zahn putzen! 
Zahnseide benutzen 
Fluorid in der Zahnpasta oder supplementieren 
2x im Jahr zur Kontrolle 
wenn Karies, direkt behandeln 
kein bis möglichst wenig zugesetzten Zucker
Wasser trinken, nach Zuckerkonsum
nach dem Zähneputzen ca 20 min warten bevor wieder etwas getrunken/ gegessen/ gestillt wird, damit der Speichel die Zähne wieder schützen kann

Aber Schlechte Angewohnheiten wird man nie wieder los.

Sprechen wir kurz über Gewohnheiten. Wenn wir uns als Erwachsene mal an die eigene Nase fassen, finden wir schnell Gewohnheiten, die wir eigentlich gerne loswerden möchten. Wenn der Leidensdruck groß genug ist, machen wir das manchmal sogar. Trinken keinen Kaffe mehr wegen dem Blutdruck, essen kein Süß mehr, weil wir abnehmen wollen. Oder gewöhnen uns andere Dinge an: 10 Min Yoga am Morgen, mit dem Rad zur Arbeit fahren, usw. 

Es ist also nicht ganz utopisch sich Verhalten an- und abzugewöhnen. Egal in welchem Alter. Bei unseren Babies aber schon von „schlechten“ Angewohnheiten zu sprechen, finde ich schwierig. 

Einschlafstillen ist keine schlechte Angewohnheit, sondern ein natürliches Hilfsmittel, dass Menschenmütter und -Kinder seit Jahrtausenden schadlos praktizieren. Es ist sicher, gesund und hat keine Nachteile für Mutter und Kind, so lange es allen Beteiligten dabei emotional gutgeht. Deshalb gibt es auch kein Alterslimit fürs Einschlafstillen: es kann für mehrere Wochen, Monate oder auch Jahre eine gute, alltagspraktische Lösung sein. Und es gibt keinen Grund, Mütter dafür zu beschämen oder ihnen zu vermitteln, sie machten damit etwas falsch.

Nora Imlau, SPIEGEL-Bestsellerautorin, Journalistin, Referentin und Mama von vier Kindern 

Das Einschlafstillen ist also bitte KEINE schlechte Angewohnheit. Sie ist eine Möglichkeit Dein Baby in den Schlaf zu begleiten. Nächtliches Aufwachen in den ersten Lebensmonaten ist für Dein Baby und dessen Wachstum sowie die Milchproduktion sogar wichtig und richtig. 

Solltest du Fragen haben, ruf mich gerne an oder vereinbare einen Termin, wir schauen uns das an!

 

Quellenangabe und Literaturtipps: 

Bechmann, C./ Reimer, D.: Ich kann schon schlafen! Entspannte Nächte für Dein Kind und Dich. Beindungsorientierte Lösungen zum Ein- und Durchschlafen. Humboldt 2022

Bergstermann, K./ Hofer, A.: Bei meinem Kind mache ich das anders. Beltz 2022

Brisch, K.-H.: Säuglings- und Kleinkindalter. Bindungspsychotherapie. Fachbuch Klett-Cotta 2014

Hummel, I.: Miteinander durch die Babyzeit. Humboldt 2022

Imlau, N.: Mein kompetentes Baby. Wie Kinder zeigen, was sie brauchen. Kösel 2016 

McKenna, J.: Safe Infant Sleep: Expert Answers to Your Cosleeping Questions. Platypus Media LLc 2020 

Mierau, S.: Geborgen wachsen. Wie Kinder glücklich groß werden. Kösel 2016

Renz-Polster, H.: Kinder verstehen. Born to be wild: wie die Evolution unsere Kinder prägt. Kösel 2009 

Renz-Polster, H./ Imlau, N.: Schlaf gut, Baby! Der sanfte Weg zu ruhigen Nächten. Gräfe und Unzer 2016

Schmidt, N.: Der Eltern Kompass. Was ist wirklich git für mein Kind? Alle wissenschaftlichen Studien ausgewertet. Gräfe und Unzer 2020 

Schmidt, N.: artgerecht – Das andere Baby-Buch. Kösel 2021 

Sears, W.: Schlafen und Wachen. Ein Elternbuch für Kindernächte. La Leche League 2010