Stillgeschichte: Ein schlechter Start, ein guter Start

Stillgeschichte Steffi

Stefii erzählt von ihren beiden sehr schnellen Geburten und den darauf folgenden Stillgeschichten. Größer könnte der Unterschied kaum sein zwischen den beiden. Auch wenn die Geburten ähnlich verliefen, so war die Begleitung danach jeweils eine völlig andere. Schlupfwarzen, wenig Drüsengewebe und Selbstzweifel machten es ihr nicht leicht. Aber sie kämpfte sich durch:

Ein schlechter Start.

Ich heisse Steffie, bin 41 Jahre alt und jetzt Mutter von 2 Söhnen. Mein Großer kam Ende Oktober 2018 zur Welt. Nach dem wir schon gar nicht mehr geglaubt haben, dass das für uns überhaupt möglich wäre. Die Schwangerschaft war total ereignislos. Wir waren nervös vor der Geburt, hatten im Hinterkopf immer dieses Gefühl von: Sei dir nicht zu sicher, was ist wenn doch was passiert.

Der Große kam 4 Wochen zu früh als Sturzgeburt nach weniger als 2 Stunden wehen. Klingt im prinzip Traumhaft. In der Realität eher weniger. Klar der Kleine war gesund, das ist die Hauptsache. Ich spreche immer noch ungern über Einzelheiten, empfand einiges als übergriffig bis sehr nah an der Grenze zur Gewalterfahrung.

➡️ Studien zeigen, dass bis zu 30 Prozent der Frauen die Geburt ihres Kindes als herausfordernd, schwierig oder sogar traumatisch empfinden. Nicht jede Geburt verläuft wie geplant. Manchmal kann man von außen gar nicht sehen, dass etwas „schief“ gelaufen ist. Für die gebärende Person ist da oft aber ganz viel passiert. Vieles davon wird auch erst nach und nach spürbar oder kommt an die Oberfläche. Vielleicht mussten Schritte gegangen werden, die so nie geplant waren. Vielleicht waren es auch im Nachhinein gesehen unnötige Schritte oder Du hast gar Gewalt erfahren. 

Die Initiative Roses Revolution macht jedes Jahr am 25. November auf das Thema aufmerksam und bietet Betroffenen die Möglichkeit ihr Erlebtes sichtbar zu machen. Ich begleite hier vor Ort Frauen auf dem Weg zum Geburtsort, um dort eine Rose abzulegen. Melde Dich gern, wenn Du Unterstützung brauchst.

Auch Dein Kind kann von dieser Erfahrung betroffen sein. Viele Babies verarbeiten das Geburtserlebnis mit viel Weinen bis Schreien, sind sehr schreckhaft, haben Probleme beim Stillen und oder Schlafen. Es gibt mittlerweile einige Angebote, die sich genau damit beschäftigen. Auch ich biete das Aufarbeiten von traumatischen Geburtserlebnissen an. Das Hilfetelefon schwierige Geburt bietet mehrmals wöchentliche eine kostenlose Sprechstunde an. ⬅️

Stillbeginn war dementsprechend ebenso. Alle 3 Stunden musste ich mit riesigen Geburtsverletzungen in den Stillsaal tapsen, in einem schön tiefen Sessel Platz nehmen und unter Aufsicht stillen. Hab es total gehasst. Konnte nicht verstehen was zur Hölle daran schön oder innig sein soll. Habe grosse Brüste mit Schlupfwarzen, wusste nicht wo ich mit zappeldem Säugling, Stillhütchen, Nippel und Armen gleichzeitig hin sollte. Nach 2 min. gab die betreuende Hebamme auf und holte dem Baby ein Fläschchen. Und ich gab es ihm, er hatte ja schliesslich Hunger. Das Baby trank gierig.

➡️ Hier sei mir eine emotionale Anmerkung erlaubt: Ich finde es eine absolute Zumutung, dass eine Wöchnerin, egal ob mit oder ohne Verletzung, irgendwohin laufen muss zum Stillen. Das sollte selbstverständlich auf dem Zimmer möglich sein! Vor allem, wenn es größere Verletzungen gab! Fragt unbedingt im Aufnahmegespräch in der Klinik nach: Wie wird das Stillen unterstützt? Welche Angebote oder Expertinnen gibt es auf der Station? Was ist Euch wichtig, was sind Eure Wünsche?

Alle drei Stunden entspricht nicht mehr den heutigen Standards und Empfehlungen. Es soll nach Bedarf gestillt werden und nicht nach Zeitplan. 

Es gibt verschiedene Arten von flachen Brustwarzen. Alle, die nicht raus kommen wollen oder sich sogar zurück ziehen, können schwieriger zu erfassen sein fürs Baby. Aber es ist nicht unmöglich. Hohlwarzen können tatsächlich mehr Probleme bereiten, das kommt aber auf die jeweilige Anatomie an. 
Stimulation kann helfen: Du kannst es mit Deinen Händen versuchen, durch sanften Druck, reiben, Massage. Next Step wäre z.B. eine Handpumpe oder auch eine elektrische Milchpumpe, um die Brustwarze nach vorn zu locken. Super gut gehen aber auch Brustwarzenformer. Die gibt es in unterschiedlicher Ausführung. Es gibt welche, die Du im BH trägst, andere, die Du kurz vor dem Stillen einsetzen kannst. Oft hilft es auch zusätzlich noch vorher den Milchspendereflex auszulösen, damit Dein Baby noch schneller an die Milch kommt. 

WICHTIG: Brusthütchen sind nicht immer die beste Wahl, werden aber gerne verteilt, weil das Baby die Brust nicht zu fassen bekommt. Meine Empfehlung ist immer: Erst mal mit der Stimulation probieren. Mit Hütchen werden die Mamillen einfach oft wund, weil nicht korrekt angelegt wird. 

Möchte die Mutter stillen, sollte bei Bedarf gerade in den ersten Tagen und Wochen stillfreundlich zugefüttert werden. Nicht mit der Flasche. ⬅️

Also neue Routine: sich wehrendes Baby stillen, danach mit Fläschen auffüllen und zum abpumpen damit Milchfluss angeregt wird. Zu Hause durch die betreuende Hebamme ebenfalls für gut befunden. K1 war ein armes Würmchen mit starken 3 Monats Koliken, er konnte 12 Stunden ohne Probleme durchschreien. Nichts hat geholfen. Kinderarzt, Schreiambulanz  alles durchprobiert.

➡️ Heute sprechen wir nicht mehr von 3-Monats-Koliken, sondern von frühkindlichen Regulationsstörungen. Dies bedeutet, dass das Baby sich nicht gut beruhigen lässt, sich selbst kaum oder gar nicht runterregulieren kann und eine extra Portion Unterstützung beim Entspannen braucht. 

Es gibt Babies, die von Anfang an reizoffener sind, temperamentvoller, mehr fühlen, immer unter Anspannung stehen, usw. Und das Schreien ist das Ventil. Schreibaby ist sehr negativ besetzt. Bessere Beschreibungen sind: empfindsam, hochsensibel, reizoffen, besonders irritierbar, mit besonderen Bedürfnissen, Highneed-Baby, untröstlich weinend. 

Es ist eine absolut herausfordernde Situation und es sollte unbedingt Hilfe aufgesucht werden. Es gibt zum Beispiel die erste emotionale Hilfe oder andere therapeutische Methoden, um der ganzen Familie zu helfen. Auch ich biete eine Begleitung in solchen Situationen an. ⬅️

3-fach Belastung: stillen, füttern, pumpen.

Also zum Schlafmangel kam noch die 3-fach Belastung von stillen/ füttern/ pumpen dazu. Man kommt nicht zum innehalten und nachdenken, man agiert nur noch. Das ging genau 2 Monate so, bis ich vollkommen am Ende meiner Kräfte war. Trotz Wiederstand aus der eigenen Familie/ Freundeskreis hab ich ganz allein für mich beschlossen das ich so nicht weiter kann. 

So hatte ich mir das ganze nicht vorgestellt. K1 wirkte auch bei jedem Stillen immer unglücklicher, drückte sich ab, saugte nicht richtig und weinte. Sobald das Fläschchen kam strahlte er und gluckste begeistert. Schweren Herzens hab ich dem Baby die Brust nicht mehr angeboten, nur noch bei grossem Druck abgepumpt.

Nach 2 Wochen war Ende, abstillen war das einfachste an der ganzen Sache.

Klar erntet man von überall Blicke wenn man das Kind mit Flasche füttert, einige lassen auch ein paar nette Worte da. Mit der Zeit lernt man das abzuschütteln, aber grade am Anfang fühlt man sich wie ein Versager.

➡️ Ganz wichtig ist für mich mein Leitsatz: Es gibt so viele Wege wie es Babies und Brüste gibt. Natürlich möchte ich als Stillberaterin am liebsten, dass alle stillen können, wenn sie wollen. Aber ich verstehe hier total die Entscheidung von Steffi. Sie ist keine Versagerin. Sondern eine Löwenmama, die sehr klar für sich entschieden und mutig ihre Grenze gezogen hat. Und eigentlich hat es niemanden zu interessieren, wie Ihr Euer Kind ernährt. Durch diese Entscheidung hat das Kind gewonnen: eine entspanntere Mama mit wieder mehr Zeit und Schlaf. ⬅️

Ein guter Start.

Mein jüngerer Sohn ist jetzt 3 Wochen alt. Ich kann ihn auch nicht voll stillen. Ich habe einfach zu wenig Milch. Seine Geburt war noch schneller, er kam nach 23 min Kreißsaal. Er wollte auch die erste Zeit nicht an die Brust. Die Hebamme nickte kurz, sagte : dann warten wir halt bis er soweit ist. Kein Fläschen, nur kuscheln. Im Bett. Nur aufstehen wenn es sein muss. Ganze 12 Stunden hat die Hebamme gewartet mit immer wiederkehrenden Anlegeversuchen. Ruhig und friedlich. Da war kein Stress, kein Druck. Aber siehe da: K2 lässt sich anlegen und saugt. Wenn die Muttermilch nicht ausreicht, füttere ich zu. Ich habe einen Frieden damit gemacht, das ich zu wenig Drüsengewebe habe, es nicht zum vollstillen reicht. Trotz Clusterfeding, permanentem Anlegen und zusätzlichem abpumpen.

Aber jeder wie er kann, das macht mich nicht zu einer schlechteren Mutter. Mein Baby gedeiht, alles andere ist unwichtig.

➡️ Ganz im Gegenteil – Steffi, Du bist eine ganz wunderbare Mutter! Und zwar eine stillende! Ich bewundere Deinen Weg und Deine Ausdauer. Stillen ist stillen, Liebe ist Liebe. 💜 

Wie toll, dass diese Hebamme abwarten konnte, Geduld hatte und somit auch übertragen hat. Brüste und ihre Milchproduktion mögen einfach keinen Stress, Druck oder Stillen unter Aufsicht! Sie wollen genau das: Vertrauen, Liebe, Zuversicht. 

Vielen Dank für das Teilen Deiner Geschichte! 

Solltest du Fragen haben, ruf mich gerne an oder vereinbare einen Termin, wir schauen uns das an!