Stillgeschichte: Ein schwerer Start mit Happy End.

Ein schwerer Start mit Happy End.

Ich habe eigentlich gedacht, dass Stillen doch kein Hexenwerk ist und nicht so schwer sein kann. Ohne Wissen darüber bin ich Mutter geworden. In meinem Umfeld gab es keine näheren Stillvorbilder. Meine Schwägerin hat von sich aus zu Beginn direkt gesagt, sie will nicht stillen, sie möchte keine wunden Brustwarzen. Meine Mutter erzählte mir immer, ich sei im Krankenhaus die beste Trinkerin gewesen. Dort habe es eine Anzeige gegeben, wo man täglich die besten Trinker verewigt hat. Aus heutiger Sicht gehe ich daher davon aus, dass ich ein Flaschenkind gewesen bin. Wie soll man sonst feststellen, wie gut ein Baby trinkt? Als Kind habe ich sehr lange, bis fast ins Schulalter, einen Schnuller gebraucht. All diese Sachen haben mir wenig zu denken gegeben bis ich Mutter wurde und mich mit dem Stillen beschäftigen musste/wollte.

Die Geburt ist der Stillstart.

Wie die meisten Stillgeschichten, beginnt meine im Krankenhaus mit der Geburt meiner Tochter. Wir hatten einen Geburtsstillstand, pathologisches CTG. Nach 18h holte man sie schließlich über einen eiligen Kaiserschnitt. Durch die Medikamente konnte ich meine Tochter kaum selbst auf meiner Brust halten. Ich hatte ständig Angst sie würde herunterfallen, da ich sehr schlimm zitterte. Das Reden fiel mir auch schwer, da meine Zähne klapperten. Meine Krankenhaushebamme erklärte mir, dass ich mir keine Sorgen machen bräuchte und das von den Medikamenten kam.

Das Bonding mit meiner Tochter fiel leider entsprechend kurz aus, da sie nach wenigen Minuten zur U1 musste, da man wegen dem CTG schnell schauen musste ob alles OK ist (wurde mir nur leider nicht erklärt). Ich blieb also zurück und wurde genäht, während mein Mann und mein Baby zur U1 gebracht wurden.

Die U1 ergab glücklicherweise, dass alles in Ordnung war und die Kleine durch die Geburt überhaupt keinen Stress gehabt hatte. Mir wurde anschließend erklärt, dass der Geburtsstillstand durch ihre Lage zu Stande kam. Sie lag mit dem Kopf nach unten, allerdings als Sternenguckerin und hatte sich verkeilt.

Die ersten Probleme.

Nach dem Nähen kam ich zunächst zu meinem Mann und meiner Tochter wieder in den Kreißsaal, die gerade beim Bonding waren. Ich war sehr erleichtert sie zu sehen. Vor Erschöpfung schliefen wir alle die nächsten Stunden hauptsächlich. So kam es, dass ich meine Tochter viel zu selten anlegte und sie natürlich auch ihre 10% abnahm. 
Ich hatte große Probleme sie selbstständig anzulegen, da ich mich anfangs wegen der PDA überhaupt nicht bewegen konnte und später aufgrund der Schmerzen.
Leider hat mir niemand beim Anlegen geholfen.

Vorweg: Ich hatte vorab mich im Krankenhaus angemeldet und meine Wünsche auch angegeben. Den Schwestern war also theoretisch bekannt, dass ich eine Angststörung und Depression habe und auch das ich stillen möchte.

Die Stillberaterin kommt.

Am Tag nach der Geburt kam eine Stillberaterin vorbei. Sie wollte wissen wie oft ich bereits angelegt hatte und war entsprechend schlecht gelaunt als sie hörte, dass mir niemand geholfen hatte und ich deutlich zu selten anlegte. Ohne Vorwarnung und ziemlich ruppig knetete sie an meiner Brust herum, was teilweise ziemlich weh tat. Sie erklärte mir, man müsste die Brust vorm stillen massieren und damit aufwärmen. Anschließend stopfte sie meiner Tochter meine Brust in den Mund. Ich war sehr perplex und hätte im Nachhinein betrachtet etwas sagen sollen.

Völlig veraltete und nicht mehr haltbare Ratschläge der Nachtschwester.

In der zweiten Nacht wurde meine Tochter gewogen und sie hatte bereits ihre 10% abgenommen. Ihre Temperatur wurde gemessen und lag bei 37,7. Die Nachtschwester behauptete es sei Hungerfieber (meine Tochter hatte die ganze Zeit bei mir im Arm gelegen und war wohl deswegen so warm). Die Schwester erzählte uns, wir dürften sie nun nicht mehr kuscheln und in den Arm nehmen, da wir sonst einen plötzlichen Kindstod riskieren. Wir sollten sie im Beistellbett liegen lassen, gepuckt mit Kopfkissen und Decke. Wenn sie aufwacht und schreit dürften wir sie nicht trösten oder mit ihr reden, da wir sie sonst wach halten würden.

Das Zufüttern beginnt.

Weiterhin wurde uns mitgeteilt, dass wir sie nun zufüttern müssen. Meinem Mann wurde erklärt wie das geht und dies geschah mit Fertig-Pre-Fläschchen. Sie sollte bereits 40ml trinken zusätzlich zur Brust. Meine Tochter schrie die ganze Nacht und spuckte/erbrach häufig dunkel (wohl Fruchtwasser oder Kindspech). Die Schwester riss sie mir zwischendurch aus den Armen und gab ihm etwas aus einer Spritze, was gegen das Erbrechen helfen sollte. Wir wurden angewiesen, das Baby alle 2-3h zu wecken und zu stillen/füttern. Sie wollte eigentlich nur schlafen und wir mussten uns sehr anstrengen sie wach zu bekommen. Ich war die ganze Nacht wach und weinte, da ich Angst hatte meine Tochter würde sonst sterben (Stichwort plötzlicher Kindstod). Und es brach mir das Herz, dass ich sie neben mir im Bett liegen lassen musste, während sie die ganze Nacht schrie. Ich legte mich irgendwie halb zu ihr ins Bett und hielt zumindest ihre Hand.

Endlich Aufklärung.

Später am Tag eckte mein Mann mit der Stillberaterin aneinander. Er wollte gerade wieder etwas Pre holen, und nur wissen wo es die zu finden gibt, da wir sie bisher gebracht bekamen. Die Stillberaterin fragte ihn was er damit wolle und er erklärte ihr, dass wir ja zufüttern müssen. Sie war wenig begeistert und wunderte sich, meinte das müssten wir überhaupt nicht. Mein Mann welcher von der Nacht ebenfalls sehr mitgenommen war, regte sich langsam auf und ihm wurde von einer anderen Schwester gezeigt wo es die Fläschchen gibt. Ein paar Minuten später kam die Stillberaterin zu uns ins Zimmer und schimpfte mit uns. Wir erzählten ihr von unserer Nacht mit der Nachtschwester und ihr Gesicht wurde immer ernster. Sie wollte erst wissen wer diese Information gegeben hat, meinte aber anschließend, es nicht wissen zu wollen, da sie sich schon denken könne wer es war. Sie meinte, sie kläre dass auf jeden Fall und das es ihr langsam mit dieser Person reicht.

Falsche und alte Informationen.

Weiterhin wurde uns von ihr erklärt, dass wir falsche Informationen bekamen. Zunächst einmal sei das viel zu viel was wir zufüttern sollten und es sei gar kein Wunder, dass die Kleine ständig spuckt. Das Mittel in der Spritze gegen das Bauchweh warf sie auch direkt weg und meinte, wir sollen das auf keinen Fall geben. Anschließend nahm sie meiner Tochter noch den Schnuller weg, den dürfen wir nicht nehmen, da es sonst zu Saugverwirrung käme. Wir hatten ihr nachts in Rücksprache mit der Nachtschwester einen Schnuller gegeben, da mir meine Brust so weh tat und sie unbedingt an etwas saugen wollte, ich sie aber auch ohnehin nicht länger als zum Stillen im Arm haben dürfte (wegen dem vermeintlichen Hungerfieber).

Uns wurde auch mittlerweile erklärt, dass wegen 0,2 Grad über dem Normalwert man eigentlich noch keine Panik wegen Fieber zu machen braucht, wenn das Baby doch zuvor bei der Mutter lag.
Danach wurde es allmählich besser im Krankenhaus. Wir hofften inständig, dass wir diese Nachtschwester nicht nochmal sehen mussten.
Im Krankenhaus erzählte leider jeder etwas anderes über die Menge die wir zufüttern sollten und wie oft sie gestillt werden sollte. Wäre es nach meiner Tochter gegangen, wäre das ununterbrochen gewesen.
Ich hatte ziemlich schmerzende Brüste und wir nutzten entgegen der Anweisung der Stillberaterin weiterhin den Schnuller allerdings ausschließlich nach dem Stillen und möglichst nie kurz vorher.

Mein Mann und ich waren uns einig, wir wollten schnell entlassen werden und nach Hause. Der Aufenthalt im Krankenhaus stresste uns drei immens. Wir bekamen im Krankenhaus keinen Besuch (auf Empfehlung unserer Hebamme und wollten auch ohnehin niemand zu Besuch kommen lassen), unsere Freunde und Kollegen schrieben uns: “genießt eure Zeit und lernt euch in Ruhe kennen” im Krankenhaus kam mir das völlig unmöglich vor.

Die Entlassung am 3. Tag.

Am dritten Tag telefonierten wir mit unserer Hebamme und erzählten ihr von der Geburt und dem bisherigen Aufenthalt in Krankenhaus. Wir fragten sie nach ihrer Meinung, ob wir auf Empfehlung des Krankenhauses noch bleiben sollten oder besser heim sollten. Wir baten letztendlich um Entlassung. 

Ich wurde am Tag der Entlassung nochmals untersucht, und musste noch ein Zäpfchen nehmen da ich bis dahin noch keinen Stuhlgang absetzen konnte. Meine Tochter nahm glücklicherweise nicht mehr ab.
Daheim konnten wir dann endlich langsam etwas ankommen. Vieles war noch chaotisch und lief nicht wie es sollte. Unsere Hebamme kam uns häufig besuchen und bestärkte uns.

Die Zeit war geprägt von Brustwarzen, die weh taten, harten Brüsten, die ausliefen, einem schreienden Baby, schlaflose Nächte, dem ersten Schub der uns unwissende Eltern überrollte, vielen geplatzten Windeln und vollgekotzten Klamotten.

Meine Tochter nahm weiterhin sehr gut zu und gedeihte super.

Schlafen gestaltete sich schwierig. Stillen ebenfalls noch, ich fand einfach keine bequeme Position. Ich pumpte teilweise ab, da meine Brüste voll waren und meine Tochter nicht soviel trinken konnte und sich ständig verschluckte. Ich musste meine Brüste oft kühlen und versuchte meine Nippel mit Silberhütchen zu beruhigen. Ich probierte zahlreiche Stillpositionen aus und fand manche ziemlich schräg.

“Wir stillen voll.”

Mittlerweile brauchten wir nicht mehr zu zufüttern und ich stillte voll. Unsere Tochter nahm in der Woche teilweise 300g zu. Unsere Hebamme staunte.

Ich fing an mich über das stillen zu informieren, da ich von meiner Hebamme leider wenig Infos erhielt. Ich hatte immer noch das Gefühl vieles falsch zu machen, obwohl mein Baby gedeihte. Ich habe also viel gelesen (Stilllexikon, auf Instagram bei Ramona und Rüya). Ich gönnte mir nachträglich eine Aufzeichnung eines Stillkurses. Und mittlerweile weiß ich durch all die tollen Seiten und Plattformen, dass ich im Krankenhaus durchaus hätte auch stillfreundlich zufüttern können. Ich weiß mittlerweile, das man mir anlegen helfen hätte müssen und es völlig normal ist, dass man bei Kaiserschnitt einen späteren Milcheinschuss hat. Ebenfalls weiß ich, dass auch der Partner durchaus stillfreundlich ohne Flasche füttern kann. Meine Tochter hat sich mit ca 3 Monaten selbständig entschnullert bzw. abgeschnulllert. Sie hat ihn einfach nur noch ausgespuckt und war erst zufrieden als sie an die Brust durfte.

Happy End.

Mittlerweile ist sie 7 Monate alt, ist bei Kleidergröße 74/80 und wiegt ca. 10 kg. Ich bin für all die Aufklärungsarbeit, die die Plattformen und online Stillberaterinnen sowie Hebammen machen sehr dankbar. Vor allem bin ich aber meinem Mann dankbar, dass er mich immer unterstützt. Ganz besonders dankbar bin ich meiner Tochter, dafür dass sie so willensstark ist und stets darauf bestanden hat die Brust zu bekommen, dafür dass sie so geduldig mit uns war/ist. Ohne sie gäbe es keine Stillbeziehung und ich weiß mittlerweile, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir überhaupt eine haben. 

Wir werden solange stillen, wie wir können und beide wollen.

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