Hallo! Ich bin Lisa N., Mutter von einem Kind, geboren Ende März 2022.
Meine bisherige Stillzeit in drei Worten: Schmerz, Enttäuschung & Erleichterung
Von meiner Mama hatte ich aufgrund ihrer Erzählungen von drei Stillkindern erwartet, dass das Stillen bei mir ohne Probleme sein werden würde. Vorbereitet hatte ich mich deshalb nicht.
Genau. Eigentlich musst Du Dich auch auf nichts vorbereiten. Und dennoch – Wissen hilft in so vielen Fällen. Aus 10 Jahren Erfahrung in der Stillberatung kann ich sagen, dass viele anfängliche Probleme vermieden werden könnten, wenn vorher genug Wissen da wäre. Wenn ich z.B. weiß, dass ein Babymagen bei Geburt nur so groß wie eine Kirsche ist und nur 5-7 ml fasst, muss ich mich nicht stressen, wenn die Milch nicht literweise fließt. Solche Basics vermittle ich in meinem Stillvorbereitungskurs OBENRUM FREI.
Der Tag der Geburt.
Diese Erwartung wurde schon am Tag der Geburt meines Sohnes zunichte gemacht. Das erste Anlegen nach der Geburt im Kreißsaal klappte ziemlich gut. Mein Mann kann sich noch daran erinnern. Unser Sohn trank, nachdem die Hebamme beim Anlegen geholfen und das Köpfchen mehrmals positioniert sowie die Brust in ihn reingestopft hatte.
Das sollte eigentlich nicht sein. Ich musste in 10 Jahren noch keine fremde Brust anfassen. Viele Frauen empfinden das als sehr übergriffig, was es auch ist. Wenn Du das nicht möchtest, darfst Du das sagen. Es sollte kein Standard sein, ist eigentlich nicht notwendig und wenn überhaupt sollte es nur mit Deinem Einverständnis geschehen. Das erste Anlegen muss auch gar nicht sein, denn das Kind schafft es in der Regel auch ganz allein zur Brust, mit dem sogenannten Breast Crawl.
Im Familienzimmer wollte es dann nach dem ersten Schläfchen nicht mehr richtig klappen. Ziemlich schnell wurde mir ein Stillhütchen angedreht. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass mir die korrekte Handhabe nicht unbedingt ausführlich gezeigt worden war. Das Stillen allerdings klappte nun, aber nur insofern, dass ich Schmerzen hatte, weshalb ich im Krankenhausbett mit meinen Füßen an das Bettende trat, um diese zu kompensieren. Die Hebammen und Kinderkrankenschwestern versuchten mit Sicherheit ihr Bestes, aber ich fühlte mich nicht aufgehoben und teilweise ungeduldig behandelt. Durch die Schmerzen müsste ich durch, hieß es. Mir wurde nicht gesagt, dass das nicht normal ist. Ich hatte mit jedem neuen Anlegen Angst vor den Schmerzen und Angst, dass das Baby nicht genug trinken würde. Dass einiges von der getrunkenen Vormilch Retour kam, zeigte mir, dass es wohl doch getrunken und geschluckt haben muss. Aber jeder Tropfen, der wieder ausgespuckt wurde, tat mir weh, weil er unter Schmerzen aus mir gesaugt wurde.
Ja, das erste Ansaugen kann weh tun. Gerade in den ersten Tagen, an denen einfach noch alles „wund“ und offen ist, die Hormone den Körper „weich“ machen. Und natürlich ist es eine ungewohnte Reibung für die Brust. Wenn aber korrekt angelegt wird, genügend Brust im Mund des Babies ist, ist die Brustwarze auch geschützt. Bis auf ein Ziehen zu Beginn der Mahlzeit sollte es nicht Schmerzen. Das ist nicht normal und sollte auch nicht so abgetan werden. Durch die Angst vor jedem neuen Anlegen entsteht eine Spirale: Wir verkrampfen, wir sind gestresst, wollen natürlich nur das Beste und die Milchproduktion mag das alles gar nicht gerne, streikt dann oft. Wenn Du Schmerzen hast, suche eine kompetente Stillberatung auf, die Dir helfen kann.
Wunde Brustwarzen.
Meine Brustwarzen wurden so sehr malträtiert, dass mein Baby auch mein Blut trank. Auf Nachfrage meinerseits wurde mir versichert, dass das nicht schlimm sei. Eine Hebammenschwester verunsicherte mich erneut, weil sie ständig sagte, dass sie die Stillhütchen nicht gut finden würde. Aber so richtig beim normalen Anlegen konnte sie mir auch nicht helfen. Und dann hatten natürlich auch andere Dienst und ich konnte mir nicht aussuchen, wer auf mein Klingeln reagieren würde.
Leider werden Brusthütchen ziemlich schnell angeboten oder sogar aufgedrängt, weil „ohne geht es ja nicht“. Anstatt mit einer 1:1 Begleitung individuell zu schauen, was braucht das gerade frisch gebackene Still-Team. Brusthütchen sind prima, wenn sie wirklich gebraucht werden. Zum Beispiel bei einem übersprudelnden Milchspendereflex, bei Frühgebroenen oder kranken Kindern, die noch keinen ausreichenden Unterdruck aufbauen können.
Bei wunden Brustwarzen sind sie eher kontraproduktiv. Die Ursache muss gefunden und beseitigt werden. Durch die Hütchen können die Verletzungen noch schlimmer werden, die Keimbelastung ist erhöht und und und.
Das Anlegen ist auch meist schwieriger und die Milchproduktion kann gehemmt werden. So geht die Milchmenge zurück und das Kind nimmt weniger zu, es muss zugefüttert werden und eine Spirale beginnt.
Es ist ein Hilfsmittel und sollte nur bei einer eindeutigen (medizinischen) Indikation genutzt werden. Hilfsmittel sollten nur unter fachkundiger Anleitung eingesetzt, inkl. Beratung wie sie wieder „abgesetzt“ werden. Denn das fehlt meistens.
Eine der zwei Nächte war so schlimm, dass das Baby nicht aufhörte zu schreien und ich weinte und wimmerte vor Schmerzen. Schließlich willigten wir ein, dass uns Flaschennahrung aufgewärmt wird. Dann klappte es doch mit Trinken und Einschlafen, sodass die Flasche wie ein Mahnmal unangerührt herum stand.
Endlich zu Hause.
Zu Hause konnte ich dann endlich in Ruhe mit „meiner“ Hebamme Kontakt aufnehmen, die mir zum einen das Abpumpen empfahl und andere Stillhütchen, die etwas fester sein sollten und die Brustwarzen besser schützen würden. So fuhr mein Mann also am Sonntag diverse Notfallapotheken ab.
Freunde von uns stellten Prenahrung vor unsere Tür. Die Brustwarzen sollten erstmal geschont werden. Ich pumpte also die nächsten Tage ab, endlich lief dann auch die normale Milch und wir fütterten zusätzlich Prenahrung. Zumindest mein Mann freute sich, das Baby ebenfalls füttern zu können. Ich fühlte mich wie eine Versagerin. Und wütend war ich auch.
Meine Brustwarzen wurden die ersten Tage zermalmt von den Kauleisten meines Babies. Im Krankenhaus wurden wir auch noch dadurch verunsichert, dass teilweise die Meinung vorherrschte, unser Baby hätte ein zu kurzes Zungenbändchen und könnte gar nicht richtig an der Brust saugen…
Besteht hier ein Verdacht, sollte unbedingt eine Expertin/ ein Experte drauf schauen.
Meine Hebamme konnte mich zum größten Teil beruhigen und mit den ersten Wochen klappte das Stillen mit Hütchen immer besser. Meine Brustwarzen heilten. Immer wieder versuchte ich es mit dem Anlegen ohne Stillhütchen, aber meist gab ich auf. Ich hatte keine Kraft und mich verließ die Hoffnung immer mehr. Das Reinigen der Stillhütchen und das Ansetzen an die Brust mit schreiendem Säugling im Arm waren eine Katastrophe und kosteten viel meiner Mama-Resource. Auch die Ratschläge anderer und das Schlechtreden der Stillhütchen vermieste nur meine Laune. Ich wollte doch, dass mein Baby alle Vorteile des Stillens erleben soll. Versuchte ich es ohne Hütchen, wurde wieder nur gequetscht und die Brustwarze nicht richtig angesaugt. Es schmerzte. Im Krankenhaus hieß es auch, dass meine Brustwarzen flach seien und sie wurden von diversen Fingern bearbeitet, damit das Baby diese besser ansaugen sollen könnte. Letzten Endes war ich erstmal froh darüber, dass wir die Flaschennahrung einstellen konnten. Zumal unser Baby irgendwann die Flasche nur noch anschrie und sich allein beim Anblick dieser verschluckte. Für meinen Mann war das emotional schmerzhaft. Nun war ich die alleinige Versorgerin unseres Babies mit Milch.
Es gibt unfassbar viele Brust- und Brustwarzenformen. Ungefähr so viele wie es Brüste gibt. Wir unterscheiden aber grob in vier Typen: Hervorstehende Brustwarzen, Flachwarzen, Schlupfwarzen und Hohlwarzen.
Hervorstehende Brustwarzen sind fest und „stehen“ von selbst.
Flachwarzen stellen sich bei Erregung oder auch Kälte auf.
Schlupfwarzen unterscheiden sich noch mal. Die einen stellen sich bei Erregung auf, die anderen „schlüpfen“ dabei nach innen.
Hohlwarzen sind eigentlich auch Schlupfwarzen, die aber dauerhaft nach innen gezogen sind.
Es ist nicht unmöglich mit Schlupf- oder Hohlwarzen zu stillen, bedarf aber vielleicht eher der Begleitung und fachkundigen Beratung. Ein Quetschen würde ich nicht empfehlen, eher ein Stimulieren. Es gibt verschiedene Geräte, mit denen man die Brustwarze hervorlocken kann. Ich rate immer dazu erst einmal die Stimulation mit der Hand zu versuchen. Aber mit einem Hilfsmittel gelingt es oft relativ leicht. Man kann einfach nach „Brustwarzenformer“ suchen.
Dass es für den Papa erst mal wieder eine Umstellung und auch traurig war, kann ich verstehen. Dennoch überwiegen die Vorteile des Stillens einfach so sehr. Und nur damit auch er mal füttern darf, sollte nicht darauf verzichtet werden. Die Partnerperson kann mit so vielen anderen Dingen unterstützen und helfen. Auch beim Stillen. Körperkontakt lässt Oxytocin fließen, Gespräche oder die pure Anwesenheit unterstützen in der Anfangszeit sehr, Snacks und Getränke bereit stellen, das Baby wickeln und in den Pausen übernehmen und und und.
Clustern.
Neu war mir das cluster-feeding. Davon hatte ich zuvor noch nie gehört. Und ich wurde ins kalte Wasser geschmissen mit eben diesem non-stop Stillen von 17 bis 23 Uhr in den ersten acht Wochen. Das war heftig. Schnelle Aufklärung erfolgte dann durch meine Hebamme. Mein Mann fütterte mich fast jeden Abend mit unserem Essen und ich fragte mich allgemein, wie ich all das hätte leisten sollen, wenn er nicht die ersten beiden Monate Elternzeit gehabt hätte.
Auf meine Umfrage hin, was sie gerne vor der Stillzeit gewusst hätten, sagt jede zweite Stillende: Was Clustern ist. Auch hier wieder: Wissen schafft Sicherheit.
Kleine, kurze Milchmahlzeiten entsprechen dem Baby – der Magen ist in den ersten Lebenstagen noch klein. Häufiges Trinken wollen ist KEIN Zeichen für generell zu wenig Milch!!! Die Nachfrage bestimmt das Angebot! In diesen Phasen wächst Dein Baby und braucht mehr Milch. Durch das häufigere Stillen (oft gefühltes „Dauerstillen“), steigert ihr gemeinsam auf natürlichem Wege die Milchproduktion. Das Saugen an der Brust löst die Ausschüttung des Hormons Prolaktin aus, welches für die Milchproduktion zuständig ist. Es wirkt aber erst etwas später, so dass während des Clusterns die Milchmahlzeiten für später „bestellt“ werden. Auch Oxytocin wird ausgeschüttet und hilft dem Milchspendereflex. Diese „Hochphasen“ des Stillens helfen ihn und die Milchproduktion zu etablieren. Ein Zufüttern ist nicht notwendig und stört eher den Prozess. Oft tritt das Clusterfeeding in den Abendstunden auf. Nach ein, zwei Tagen hat sich die Milchmenge reguliert und das Baby trinkt wieder „normal“. Ja, es ist super anstrengend. Gar keine Frage. Durchhalten lohnt sich. Es ist eine Phase, sie geht vorbei. Alle Babies durchlaufen dieses Clustern.
5 Monate geschafft.
Als mein Baby etwa fünf Monate alt war und ständig nach dem Stillhütchen griff, ging es beim Stillen plötzlich ohne Hütchen weiter, weil es vom Baby aus dem Weg geräumt wurde. Es dockte wieder an als wäre alles unverändert. Ein enormer Lichtblick! Nun versuchte ich intensiver ohne Hütchen zu stillen. Bald klappte es so gut, dass ich die Stillhütchen verbannen konnte.
Das Baby bekam seine Schneidezähne. Oben und unten waren scharfe Kanten. Gebissen wurde ich dann im Eifer des Gefechts einmal so heftig, dass es blutete, dass Baby schrie und ich schrie. Ich schätze, dass ich vorm Anlegen nervös war, weil er nicht zu beruhigen war und ich noch sagte: „Jetzt beiß aber nicht!“ und schwups wurde mein Satz vielleicht verstanden und das „nicht“ eben im Gehirn erstmal verschluckt.
Genau. Kinder können das Nicht nicht verarbeiten. Durch das korrekte Anlegen, was häufig mit Hütchen nicht so gut gelernt und trainiert werden kann, kommen die Brustwarzen eigentlich nicht mit den Zähnen in Berührung. Sie liegen so weit hinten, dass sie am weichen Gaumen ankommen, die oberen Zähne liegen auf dem Brustgewebe, über den unteren liegt die Zunge. Hier lohnt es sich noch mal mit fachkundiger Anleitung das Anlegen zu optimieren.
Bei den darauffolgenden Anlegeversuchen zitterte ich innerlich vor Angst. Meine Hebamme half mir so wunderbar mit Ratschlägen, dass die Brustwarze schnell heilte und ich bis heute – mein Sohn ist nun 10 Monate alt – ohne Stillhütchen stillen kann.
Ich wusste sehr schnell, dass das Stillen bei mir eben nicht so ablief: nur Anlegen und es läuft von alleine. Rückblickend wünsche ich meinem früheren Ich mehr Zuversicht und das Wissen, dass wenige Wochen und die Entwicklung des Babies einiges verändern können und alles immer nur eine Phase ist.
Vor allem habe ich schmerzhaft feststellen müssen, dass sich nicht viele mit dem Stillprozess auskennen und keinen umsichtigen, klugen und hilfreichen Umgang mit frisch geborenen Müttern draufhaben. STILLEN IST EIN LERNPROZESS FÜR MUTTER UND KIND! Das möchte ich weitergeben. Außerdem zeigte mir die Erfahrung, dass es hilfreich ist, wenn man die Brüste nicht in enge BH’s quetscht. Sie benötigen Luft und die Brustwarzen freuen sich (wie die spröden Lippen im Winter) über Brustwarzensalbe in Form von reinem Wollwachs.
Das ist es! Ein Lernprozess. Da kann ich nur zustimmen. Ich sage immer: Luft, Licht und Liebe brauchen die Brüste in der Stillzeit, gerade am Anfang. Lieber nur einen oder zwei Still BHs für den Anfang kaufen, da sich die Brust eh noch verändern wird. Und zu eng ist nie gut. Lass Dich auch da gut beraten. Brustwarzensalbe empfehle ich nicht unbedingt. Die übrig bleibende Muttermilch ist eigentlich ausreichend. Reines Wollfett (Lanolin) sollte nur angewendet werden, wenn sonst keine Hautprobleme oder Allergien bestehen, dies ergaben neueste Erkenntnisse in 2023.
Stillen möchte ich noch bis zum Ende des Frühlings 2023, bis mein Sohn 15 Monate alt ist. Ich bin gespannt, ob das Abendessen dann ausreichen wird, um das Baby ohne Stillen in den Schlaf zu kuscheln oder zu tragen. Und wie lange ich dann doch noch nachts stillen werde.
💜 Liebe Lisa, vielen Dank für das Teilen Deiner Geschichte!