Neurodivergenz. Vielleicht hast du diesen Begriff schon einmal gehört, aber was bedeutet er eigentlich? Neurodivergenz beschreibt die Vielfalt menschlicher Gehirne und deren Funktionsweise. Einfach gesagt, es geht darum, dass nicht alle Gehirne gleich arbeiten – und das ist völlig normal und okay. Viele junge Frauen erhalten Diagnosen im Bereich der Neurodivergenz, wie Autismus oder ADHS. Die Dunkelziffer ist hoch, da viele Betroffene lange unerkannt bleiben.
Viele autistische Mütter stillen ihre Kinder und finden darin eine wunderbare Möglichkeit, eine enge Bindung aufzubauen. Allerdings gibt es auch Herausforderungen. Stillende im Autismus Spektrum können sensorische Überempfindlichkeiten haben, was das Stillen zu einer herausfordernden Erfahrung machen kann. Geräusche, Berührungen und das ständige körperliche Nähebedürfnis des Babys können für einige Menschen überwältigend sein.
Es ist wichtig, dass autistische Mütter Unterstützung und Verständnis erhalten, sowohl von medizinischem Personal als auch von ihrem sozialen Umfeld. Flexibilität und geduldige Unterstützung können den Unterschied ausmachen. Manche Stillende finden es hilfreich, klare Routinen zu etablieren und ruhige, wenig stimulierende Umgebungen zu schaffen, um das Stillen angenehmer zu gestalten. Es gibt keine Einheitslösung, aber mit Verständnis und Offenheit kann eine gute Stillbeziehung gelingen.
Ich heiße Mari, bin 22 und stille seit ca. 7 Monaten mein erstes Kind.
Wenn Du Deiner Stillzeit eine Überschrift geben müsstest, welche wäre es?
kleiner Nuckler
Was hast Du vor der Geburt über das Stillen gedacht und gewusst?
Ich habe einiges gewusst, da ich mich intensiv damit auseinandersetzte, um vorbereitet zu sein. Vor der Schwangerschaft allerdings konnte ich mir nicht vorstellen zu stillen, ich kannte auch niemanden persönlich, die stillte.
Hast Du Dich vorbereitet, wenn ja wie?
Ich habe viele Podcasts gehört und auch Bücher gelesen über das Stillen.
Ich empfehle gern folgende Podcasts:
Hebamme Jana Friedrich – Geburtskanal
Die friedliche Geburt
The weeks – Wochenbett Podcast
Und folgende Bücher:
Hummel, Inke: Miteinander durch die Babyzeit
Imlau, Nora: Mein kompetentes Baby
Lohtrop, Hannah: Das Stillbuch
Schmidt, Nicola: artgerecht – das andere Baby-Buch
Stern, Loretta/ Gaca, Anja Constance: Das Wochenbett
Was war Dir wichtig im Vorfeld?
Mir war es wichtig zu wissen wie es in der Theorie funktioniert, damit ich ein starkes Gefühl hatte.
Wie begann Deine Stillgeschichte?
Ungefähr 2 Stunden nach der sehr schwierigen Geburt fragte die Hebamme, ob ich denn schon angelegt habe. Hatte ich nicht, gezeigt hat es mir niemand und ich war so überfordert mit der Situation, dass ich nicht selbst dran gedacht habe. Von da an wollte mein Baby eigentlich nur dauernuckeln und war so damit beschäftigt, dass es nicht einmal schlafen konnte. Wir fütterten unserem Kind im Krankenhaus etwas zu, damit wir beide mal Schlaf finden konnten. Dem kleinen Wunder reichte die Milch (unserer Meinung nach!!) nicht aus. Als Zuhause dann der “Milcheinschuss” kam reichte die Milch von da an aus.
Der initiale Milcheinschuss kann (muss aber nicht) schmerzhaft sein. Die Brüste können spannen, gerötet, prall und sehr empfindlich sein. Mit ihm wird das Kolostrum abgelöst durch eine Art Übergangsmilch, bevor dann in der 2.-4. Woche die “reife Frauenmilch” gebildet wird. Am Anfang ist das Kolostrum völlig ausreichend, denn die Magengröße des Babies ist klein: Bei Geburt wie eine Kirsche 5-7ml, am 3. Tag wie eine Walnuss 22-27 ml, am 7. Tag wie eine Aprikose 45-60 ml, am 30. Tag wie ein Ei 80-150 ml. Die Milchproduktion passt sich dann mit dem Wachsen des Babies an.
Über den Verdacht zu wenig Milch zu haben, habe ich hier bereits geschrieben.
Welche Herausforderungen oder Besonderheiten gab/ gibt es?
Durch meinen Autismus überreizt mich das Stillen des öfteren. Der Plan war deswegen eigentlich, dass wir auch abgepumpte Milch in der Flasche geben. Unser Baby nimmt jedoch keine Flasche. Zusätzlich konnte ich am Anfang eigentlich absolut nicht sitzen, da die Naht meiner Episiotomie aufgegangen war und sehr sehr schmerzhaft war. Ich konnte nur im Liegen stillen, was dem Baby aber auf einer Seite nicht so leicht fiel, da es durch die Saugglocke mehrere Blockaden hatte. Als ich fünf Monate postpartum war, wurde meine Geburtsverletzung operiert. Sie heilte einfach nicht ab und das war für uns sehr stressig, da mein Baby für die Zeit ohne mich auskommen musste. Allerdings hat die nette Krankenschwester meinen kleinen Sonnenschein später zum Stillen in den Aufwachraum geholt.
Eine Episiotomie ist ein Dammschnitt. Er wird immer noch häufig praktiziert, leider oft auch ohne Vorwarnung und dazugehöriger Aufklärung. Motherhood e.V. schreibt darüber auch sehr kritisch. Denn wissenschaftliche Studien über den Nutzen fehlen.
Nach einer OP, auch in Vollnarkose, ist es meist kein Problem zu stillen. Sobald Du Dein Baby eigenständig halten kannst und es keine weiteren stillunfreundlichen Medikamente gibt, kannst Du wieder anlegen. Mehr erfährst Du hier.
Wer hat Dir geholfen, Dich unterstützt & wie?
Mein Mann und meine Hebamme haben mich immer unterstützt. Sie hat meinen Mut und mein Selbstbewusstsein gestärkt und mir immer wieder versichert, dass meine Milch ausreicht und das Kind genug zunimmt. Mir wurde oft versucht einzureden dem wäre nicht so, weil wir eine häufige Stillfrequenz hatten. Jedoch ist mein Kind auf der 97% Perzentile.
Was waren Deine größten Sorgen, Ängste, Hindernisse, … in der Stillzeit?
Definitiv meine Operationen und die Sorge am Anfang dass die Milch nicht reicht.
Was war Dein schönster, bewegendster Moment in der Stillzeit?
Ich glaube, ich kann keinen festmachen, aber mein Baby im Aufwachraum nach einer OP zu stillen war sehr besonders. Angeblich soll es sogar das erste Baby dort gewesen sein.
Was hast Du absolut nicht so erwartet?
Tatsächlich, dass ich nie wunde Brustwarzen habe. Kein einziges Mal.
War es so wie Du es Dir vorgestellt hast oder ganz anders? Was war anders?
Es ist ungefähr so, wie ich es mir vorstellte.
Was hättest Du gerne vorher gewusst?
Ich hätte gerne mehr über Clusterfeeding gewusst vorher.
Clusterfeeding nennt man häufiges Stillen in kurzen Zeitabständen. Es ist völlig normal und bestellt die Milch für “übermorgen”.
Wie lange magst Du noch stillen? Gibt es ein jetzt schon feststehendes Ende für Dich?
Ich stille so lange wie es für uns beide funktioniert.
Und wenn die Stillzeit in der Zukunft irgendwann zum Ende kommt, habe ich ein Abstill-Workbook, welches bei dem Prozess begleiten kann.
Deine Stillzeit in drei Worten:
anstrengend, liebevoll, Freude
Was möchtest Du jeder Schwangeren gerne sagen?
Wenn ihr stillen möchtet, informiert euch vorher schon darüber. Das hat mir sehr geholfen.
Aus 10 Jahren Erfahrung in der Stillberatung kann ich sagen, dass viele anfängliche Probleme vermieden werden könnten, wenn vorher genug Wissen da wäre. Wenn ich z.B. weiß, dass ein Babymagen bei Geburt nur so groß wie eine Kirsche ist und nur 5-7 ml fasst, muss ich mich nicht stressen, wenn die Milch nicht literweise fließt. Oder dass es normal ist, wenn ein Baby nur 5 oder 45 Minuten trinken möchte. Solche Basics vermittel ich in meinem Stillvorbereitungskurs OBENRUM FREI.
Was ist Dein Geheimtipp für die Stillzeit?
Muttermilch hilft bei Babys mit Neurodermitis auch der Haut sehr gut! Wir benutzen immer Milch im Badewasser und auch zum eincremen.